Vorplanung zur Atlantik-Überquerung

Der Traum eines jeden engagierten Amateur-Seglers ist, einmal die großen Meere zu überqueren.
Oft sind diese, durch einschlägige Reiseberichte, schon so bekannt,
als hätte man diesen Tripp bereits gewagt.
Segler, die bereits Hochsee-Meilen hinter sich haben, werden beneidet
und selbst verschiebt man seinen eigenen Wunsch von Mal zu Mal.
- keine Zeit, kein Geld, dieses Jahr schlechtes Wetter, erst mal ärztlich untersuchen lassen,
ich trau mich nicht - alles Ausreden und es gibt noch hundert Einwände mehr -

Es ist wie immer im Leben, solange nicht der erste Schritt gemacht wird, bleibt jedes Vorhaben nur
ein Traum.
Unsere Gelegenheit war, das Angebot eines Vercharterers, das Boot eines Eigners, der
an dem bekannten ARC-Rennen teilgenommen hat und das nun in Martinique liegt, zurückzuholen.

Bertrand und Dieter, die beiden regionalen Segler aus dem Landkreis Regensburg, checkten kurz ab:
Zeit, Geld, Lust, Gier nach Meer und "Traute", einige "wenn und aber" wurden zur Seite geschoben
- Resultat:
Ja - wir segeln über den Atlantik - von West nach Ost -
Martinique-Azoren-Mallorca - 4300 Seemeilen.

Die Vorplanung

Angebot des Vercharterers: Überführung des Bootes - Start 24. März 2010,
ein erfahrener Skipper übernimmt die Schiffsführung, Übernahme in Martinique.

Das Boot nimmt, mit dem Eigner, an der ARC (Atlantic Rally for Cruisers) teil, einer
organisierten Atlantik-Überquerung von Ost nach West, die Ende November
von Gran Canaria (Kanarische Inseln) nach St. Lucia (Karibik) durchgeührt wird.
An dieser Atlantik-Fahrt nehmen in diesem Jahr 225 Crews teil, die je nach Boots-Leistung,
2 bis 3 Wochen unterwegs sein werden, unter Ausnutzung der Passatwinde von Nordost nach Südwest.
Ein bekannter Vercharterer, der uns ständig über Angebote informiert, bietet die Teilnahme an der
Rück-Überführung dieser Eigner-Yacht an, von Martinique (Karibik) nach Palma de Mallorca (Balearen).
Diese Rücküberführung von West nach Ost beginnt Ende März bis April.

Die Teilmehmerzahl ist auf 6 Segler begrenzt.

Einerseits reizt mich diese Herausforderung einer Atlantik-Überquerung von West nach Ost,
denn der Wunsch nach einer besonderen Segelleistung schlummert
im Hinterkopf eines jeden engagierten Seglers.
Für mich in meinem Alter (60+), gibt es in dieser Richtung nicht mehr viele Möglichkeiten.
Da ich jedoch nicht allein mit fünf fremden Seglern unterwegs sein möchte, sprech ich
Bertrand an, einen Segelfreund, der schon bei einigen Törns im Mittelmeer mit mir unterwegs war.

Sein Terminkalender gibt sein ok, Bertrand findet die Idee gut. Wir treffen uns wegen
Detailabsprache und finden die Idee immer noch gut.
Kosten-Aufrechnung: Teilnahmegebühr, Flugkosten Karibik, Zufahrt zum Flughafen Düsseldorf und
Zukauf von Ausrüstung fürs Ozean-Segeln. Unser Entschluß steht fest - wir fahren!
Also melde ich uns beide an!
Bertrand (60+) + Dieter (60+) = 130 Jahre Lebenserfahrung, mit 15 Jahren Segelerfahrung!

Die Buchungsbestätigungen und die Fragebogen zu Personendaten sind eingetroffen.
Alles wird, wie gewünscht ausgefüllt,
Von der Charterfirma sind keine Einwände, betreffend Alter o. ä. eingetroffen,
also bezahlen wir unsere Anzahlung und können nun in die Detail-Planung gehen!

Die Suche nach einem Flug zum vernünftigen Preis gestaltet sich nicht unbedingt einfach.
Es gibt nur ein einziges Komplettangebot von München nach Fort-de-France auf Martinique
von der Air France zum Preis von 1980,- EUR.
Erstens für uns zu teuer, zweitens geht der Flug nach London, übernachten, dann nach Paris
Flughafen Charles de Gaulles, von dort nach Paris Orly und dann nach Fort-de-France.
Viel zu umständlich und zu teuer!

Die zweite Rechersche der Flugsuche.
Vom Flughafen Orly in Paris gehen grundsätzlich alle preiswerten Flüge nach Martinique.
Flugpreis Orly - Fort-de-France 840,- EUR - super.
Der Flughafen Düsseldorf ist der Einzige in Deutschland von dem aus Flüge nach Orly starten.

Es beginnt die Phase "Informationssammlung". Schiffs-Info, wo liegt der Hafen "Le Marin" -
Wetter zu dieser Jahreszeit auf dem Atlantik zwischen 15. und 38. Breitengrad Nord,
- Wind-Verhältnisse - Strömung, Verpflegung - unsere Fähigkeiten auffrischen und ergänzen,
wer ist daran interessiert über unsere Überfahrt zu berichten, Datenversand von Bord,
Internetseite "TRUBILO" aufbereiten, eigene Publikation vorbereiten
- Bewerbung der Webseite vorbereiten, wer liefert Ausrüstung,
persönliche Medizin-Box erstellen ... und ..und - es gibt viel zu tun ...

Zur Information aller Interessierten unserer Atlantik-Überquerung weisen wir auf die
Wetternachrichten als Grafik auf dieser Atlantik-Webseite hin, während der Fahrt bzw.
Vorbereitung könnt Ihr Euch regelmäßig informieren.

Wer sich als Mittelmeer-Segler zu einem solchen Segeltrip entschlossen hat,
ist ungeduldig und sucht im Internet nach allen möglichen Informationsquellen.

Die erste Informationsquelle ist natürlich der Veranstalter, die Charterfirma.
Unsere Anfragen werden auch sofort beantwortet
- "wir haben Ihre Frage an den zuständigen Skipper weitergeleitet."

Als erstes interessiert uns, wer ist der Skipper, welche Qualifikation hat er, wer sind die anderen
Mitsegler, wird die Anfahrt zum Starthafen organisiert, welche Termine gelten fürs Eintreffen und Abfahrt?

- Keine Information, wie sich später ergab, trafen die Teilnehmer innerhalb 3Tagen einzeln ein -

Als Termin war uns lediglich der 24. März bekannt, doch was für ein Termin sollte das sein??
Ankunft - Einkauf - Übernahme oder Abfahrt?
Diejenigen, die am 21. März eintrafen, durften an den noch reichlich anstehenden
Instandsetzungsarbeiten teilnehmen.
Für meinen nächsten Hotelurlaub habe ich mir vorgenommen vorher anzufragen,
ob ich etwas früher kommen soll,
um eventuell noch das Zimmer zu streichen oder Gardinen aufzuhängen.

Mir kam in diesem Zusammenhang mal der Gedanke, ob ich vielleicht auf einem
Sklavenschiff gelandet bin, da auch der Umgangston nicht gerade der Freundlichste war.
Aber das konnte ja nicht sein, da ja Sklaven für die Fahrt nicht bezahlen müssen.

Die Crewliste wurde auch lange nicht bekannt gegeben. Auf die Frage danach, wurde
mitgeteilt, dass die Crew noch nicht komplett sei.
Wir hatten noch zwei Interessenten für die Fahrt und wollten die freien Plätze buchen
- Antwort = ausgebucht! ??

Auf der internen Crewseite meiner Website habe ich bekannt gegeben, dass ich einen
Reisebericht von dieser Atlantik-Überquerung schreiben werde und dafür tägliche
e-Mail's, per Satellitentelefon, nach Zuhause übermitteln werde.



Da noch immer keine Crewliste veröffentlicht war - habe ich als Erklärung geschrieben:
"Im Vergleich zu dieser Atlantik-Überquerung stelle ich mir vor, ich würde mit
einer Straßenbahn fahren und es wäre dem Straßenbahnfahrer auch nicht zumutbar
an jeder Haltestelle die zusteigenden Fahrgäste den bereits Anwesenden vorzustellen."

Daraufhin bekam ich von dem Skipper das "schriftliche" Verbot,
keinen Bericht von Bord zu senden, der nicht von ihm gelesen und zensiert wurde!



Es lebe die Pressefreiheit und das Recht zur freien Meinungsäußerung!

Wir hatten als Atlantik-Neulinge viele Fragen, die nur sehr schleppend beantwortet wurden.
Auf eine e-Mail-Anfrage an den Skipper wurde seine Qualifikation beantwortet - er hatte bereits
7 Atlantik-Überquerungen absolviert und auf die Frage nach einer
Skipper- und Crew-Versicherung die Antwort: ist nicht notwendig -
Begründung: das Schiff ist versichert - eine weitere Versicherung ist überflüssig!

In diesen Zusammenhang habe ich die Frage nach einer EPIRB gestellt,
einer Rettungsboje, die im Notfall automatisch ein Signal an eine Rettungsleitstelle
schickt und entsprechende Maßnahmen zur Rettung einleitet.
Eine solche Rettungsboje ist auf allen Langfahrt-Booten selbstverständlich.



Auf meine Anfrage, ob eine entsprechende Rettungsboje an Bord zur Verfügung steht,
bekam ich die "schriftliche" Nachricht, eine Woche vor Abreise!:
"Was würdest Du tun, wenn keine vorhanden wäre?"

So langsam kommen mir Bedenken, ob ich diese Atlantik-Überfahrt bei dem richtigen
Vercharterer und mit dem geeigneten Skipper gebucht habe.

Zur Information, für die, die mich nicht kennen
(eventuell meine Reiseberichte nicht gelesen haben):
Vor 15 Jahren bin ich zum Segeln im Mittelmeer gekommen und seit 10 Jahre organisiere
und fahre ich als Skipper für unsere private Segelgemeinschaft Segeltörns.
Bei allen Fahrten schließen wir eine Skipper- und Crew-Haftpflichtversicherung und eine
Kautions-Haftpflichtversicherung ab, für 10,- EUR pro Person, gemäß dem Motto:

"Wir starten als Freunde und kommen auch als Freunde zurück."

Für den 14. Februar, ein Sonntag, haben wir nun doch noch ein Crewtreffen
vereinbaren können. Den Schnittpunkt zwischen Wien, Zürich und Regensburg
zu finden war nicht einfach.
Auf jeden Fall treffen wir uns in München, in einem Lokal in Hauptbahnhof-Nähe.
Ein Crewmitglied reist nicht an. Alle stellen sich vor, der Skipper macht nun zum 8. Mal eine
Atlantik-Überquerung, hat 120.000 Seemeilen Segelerfahrung, erzählt von früheren Törns
und wen er schon wegen Alkoholgenuß von Bord verwiesen hat.
Wir erzählen, daß Bertrand und ich unsere Segelerfahrungen auf dem
Mittelmeer gemacht haben, daraufhin betitelt er uns abfällig als Kaffeefahrtensegler.

Als ich am nächsten Tag mit Bertrand telefoniere, erzähle ich ihm von meinen Zweifeln,
ob die Entscheidung richtig war diese Atlantikfahrt, vor allem mit diesem Skipper, durchzuführen.
Sein beruhigender, nicht sehr überzeugender Kommentar - "wird schon werden".

Meine Hoffnung war, auf dieser Reise von einem erfahrenen Hochsee-Skipper lernen zu können.
Diese Hoffnung mußte ich schon im Vorfeld begraben, nach der Bemerkung des Skippers:
"Es sei leichtsinnig von mir, mich zu dieser Atlantik-Überquerung angemeldet zu haben und eine
Verantwortungslosigkeit, meinen Segelfreund Bertrand dazu überredet zu haben!"

Es gibt danach noch einige andere verbale Äußerungen, die meine Zweifel noch gesteigert haben,
aber ich habe im Vorfeld dieser Atlantikfahrt viel Aufwand betrieben, der nutzlos gewesen wären,
wenn ich nicht teilgenommen hätte.
Die Ankündigung im Internet, alle Segelfreunde informiert, Atlantik-Visitenkarten gedruckt, Bezahlung
der Charter und Flüge, Mietvertrag des Satellitentelefons, Einkauf von Hochsee-Bekleidung,
Vorbereitung der Atlantik-Website und die Wetterdatensammlung vom Atlantik.
Also beherzige ich den Rat meiner Frau:
"Halt die Klappe und konzentriere Dich auf Deine Notizen!"

Fortsetzung im Reisebericht - Start