Gibralter - Las Palmas
ATLANTIK LIGHT
Segelboot-Überführung Gibraltar - Gran Canaria
von Hermann Winkler
Meine Reise führt zunächst in das andalusische Städtchen Jerez inklusive Nächtigung,
Besichtigung der gemütlichen Altstadt, des Fischmarkts und Frühstück mit kurzer
Hose im Freien - für Ende Oktober sind die Temperaturen überraschend sommerlich.
Mit dem Bus geht es über Algeciras nach La Linea.
Da der Skipper keinen Liegeplatz in Gibraltar bekommen hat und in La Linea vor Anker liegt,
werde ich mit dem Dinghi abgeholt.
Bis zum Abend ist die Crew aus Deutschland, Schweiz und Österreich komplett -
eine Dame und 5 männliche Segler teilen sich die 4 Kabinen.
In der fünften Kabine unserer "CELOX²", einer nagelneuen Bavaria 51 Cruiser,
sind Utensilien des Eigners gelagert, der mit diesem Boot,
am 22. November 2009, an der "ARC - Atlantic Rally for Cruisers" teilnimmt.
Die Mitsegler sind älter als ich, doch wir kommen alle gut miteinander aus.
Da es wenig attraktiv erscheint mit dem Dinghi, zum Einzukaufen zu fahren,
wird beschlossen am nächsten Tag die spanische Enklave Ceuta in Afrika anzulaufen
und dort die Besorgungen zu machen.
Wir überqueren also die Strasse von Gibraltar Richtung Süden.
Vor der afrikanischen Küste verhindert eine Nebelbank das Einlaufen in den Hafen von Ceuta.
Mit Radar pirschen wir uns nahe an die Hafeneinfahrt;
wir hören Leute auf den Schiffen im Hafen rufen und schwere Maschinen brummen.
Über 4 Stunden warten wir bei teilweise nur 1 Bootslänge Sicht bis der Nebel kurz aufreißt.
Unvermittelt öffnet sich ein Ausblick auf die Hafeneinfahrt und die Stadt in der Sonne.
Zügiges Einlaufen. Als wir anlegen ist Ceuta schon wieder im dichten Nebel verschwunden.
Wir genießen das Spazierengehen in den nebelverhangenen Gassen dieser netten und
aufgeräumten Stadt, genehmigen uns das letzte Restaurantessen vor der Überfahrt.
Eingekauft wird für kalkulierte 5-6 Tage überfahrt auf dem zentralen Markt und bei Lidl.
Vorab wurde mit dem Skipper Tide und Strom in der Straße von Gibraltar studiert.
Am späten Nachmittag ist die beste Zeit zum Auslaufen.
Wir fahren in die Dämmerung hinein Richtung Westen, während westlich setzender Strom
unsere Fahrt unterstützt. Wind ist kaum vorhanden und der Motor brummt durch die Nacht.
So eindrucksvoll bei der gestrigen Querung die riesigen Containerschiffe,
ob ihrer schieren Größe, waren, so faszinierend erscheinen nun bei Nacht,
mit den vielen Lichter von Fähren und Kreuzfahrtschiffen.
Zu meiner späteren Nachtwache finde ich das Schiff, unter Genua bei auffrischendem
Wind und Wellen, bereits auf dem Atlantik vor. Die Genua muß bald gerefft werden und unser
Kurs führt uns nun Richtung NW, weil das Schiff dadurch angenehmer in der Welle liegt.
Ich genieße es das Schiff am Ruder zu spüren und schlafe nach meiner Wache sofort
zufrieden ein. Beim nächsten Erwachen sind die Bewegungen des Schiffs stärker geworden.
Zu meiner Überraschung ist niemand unter Deck.
Trotz der heftigen Schiffsbewegung, damit war auf dem Atlantik ja zu rechnen -
gelingt es mir ein Frühstückssandwich zuzubereiten.
Durch die Salonfenster wird im ersten Morgengrauen die Landschaft draußen erkennbar.
Das Schiff schlingert durch riesig wirkende graue Berge, von deren weißen,
überbrechenden Kämmen die Gischt wie Regen über die Yacht geweht wird.
Die ständigen Pfeifgeräusche von draußen lassen die Stärke des Windes erahnen.
Schnell ins Naßzeug, Mütze, Segelhandschuhe und hinauf ins Cockpit. Nach einem Blick in
die Runde ist klar, daß drei meiner Mitsegler mit Seekrankheit kämpfen.
Alle sind natürlich mit Lifebelts gesichert.
Nach einiger Zeit der Wellenbeobachtung picke ich meinen Lifebelt in der Nähe des
Ruders ein und steuere das Schiff unter sehr kleiner Genua weiter auf den Atlantik hinaus.
Der Wind dreht bald und wir laufen wieder in Richtung unseres Ziels bei 4m Wellen
und oberen 7 Bft. Nachdem bei den Seekranken das unter Deck gehen
teils mit Erbrechen einhergeht, versuchen sie im Cockpit etwas zu schlafen.
Die Stunden am Steuer vergehen mir wie im Flug, es zeichnet sich ab, daß Wind und
Wellen nachlassen. Die Seekrankheit bei den Mitseglern gibt sich auch langsam.
Die zuerst steilen Wellen werden zu langgezogenen flachen Hügeln über
die kleinere Wellen laufen. Unser schwäbischer Mitsegler wirft die Angel aus.
Leider bringen uns seine Bemühungen auf diesem Törn nur einen Thunfisch ein,
... der jedoch von unserer Borddame aus Bayern lecker zubereitet wird,
ebenso wie, eines sonnigen Mittags, ein echter bayerischer Kaiserschmarren.
Nudeln sind natürlich öfter auf der Speisekarte zu finden, frisch, aufgewärmt oder kalt.
Die nächsten 2 Tage verlaufen seglerisch anspruchslos.
Weder Genua noch das gelattete Groß wollen bei dem schwachen Wind stehen.
Unter Motor geht es weiter bis sich stetiger Wind aus Nordost einstellt. Es gibt einen
kurzen Regenschauer, der Wind nimmt plötzlich von 15 auf 25 kn zu und wir reffen.
Die Nächte sind großteils sternenklar und ich liebe die Nachtwachen, vor allem mit unserem
schwäbischen Mitsegler, der bereits viel Erfahrung auf Schiffen gemacht hat
und immer einen pfiffigen Witz zu erzählen hat.
Bei gutem Wind aus NE und zunehmender Welle gleitet die Yacht
unter den funkelnden Sternbildern über den im Mondlicht glitzernden, schwarzen Ozean.
Es wird von Tag zu Tag wärmer.
Im Laufe der Überfahrt ist irgendwann die Genuaschot beim Halsen
am Spibaum hängen geblieben und hat den Spibaum samt Halterung vom Mast abgerissen.
Er ist jetzt behelfsmäßig festgebunden. Unser Generator streikt nun auch, die Kühlung
funktioniert nicht. Es liegt am Impeller der nach wenigen Betriebsstunden schon
gebrochen ist, doch ist für den Generator kein Ersatzimpeller an Bord.
Wir können aber immer noch mit Motor die Batterien laden.
Gute Dienste leistet das an Bord vorhandene AIS, das es uns ermöglicht alle wichtigen
Daten wie Kurs/Geschwindigkeit/Größe von vorbeifahrenden Schiffen,
die ebenfalls über dieses System verfügen, sofort ablesen können.
Als nach 5 Tagen und Nächten der Eastern Rock von Lanzarote in Sicht kommt bin ich
erfreut und enttäuscht zugleich - so sehr habe ich die Zeit auf dem offenen Meer genossen.
Wir belohnen uns in Puerto Calero mit einem feinen Essen für die gelungene Überfahrt.
Am nächsten Tag erkundet die Mannschaft mit dem Leihauto Lanzarote,
während ich von meiner dort lebenden Nichte zu einer privaten Inseltour eingeladen werde.
Die vorwiegend schwarze, von schroffen Vulkanen geprägte Insel verströmt einen
bizarren Reiz. Weitergesegelt wird nach Marina Rubicon (riesige moderne Marina)
im Süden von Lanzarote. Von dort aus geht es nach Puerto Rosario
- wo wir auf die Aida Luna treffen - und Morrojable auf Fuerteventura.
Wir bekommen keinen Liegeplatz und ankern 2 Mal.
Einmal vor einem herrlichen langen Sandstrand mit Düne und Leuchtturm.
Beide Male leistet uns die Eau de la Vie, die ebenfalls am ARC teilnimmt, Gesellschaft.
Wir haben traumhaftes Urlaubswetter während in Österreich die Temperatur auf 0 Grad sinkt.
Vor Anker schläft es sich hervorragend, wie in einer Wiege.
Die Überfahrt nach Las Palmas beschert uns noch einmal wunderbares Segelwetter.
Um 20 Kn Wind bei teilweiser Bewölkung.
Bei einer gemütlichen Jause im Cockpit ist der Autopilot an.
Als ich ein Stück spanischen Käse koste, spüre ich wie die Yacht wie von Geisterhand
anzuluven beginnt. Die Jause auf dem Cockpittisch wird unruhig.
Sie läuft aus dem Ruder, rufe ich. Unser Schwabe: Jemand muß ans Ruder!
Die unmittelbar neben dem Ruder Sitzenden erkennen nun auch,
daß sich der Autopilot offenbar selbst ausgeschaltet hat und das Schiff steuerlos
eine Kurve fährt. Die Situation ist dann schnell wieder unter Kontrolle.
Danach funktioniert der Autopilot wieder einwandfrei, wird aber streng Überwacht.
Bei herrlichem Wind laufen wir nach Gran Canaria.